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Bauen ohne Beton?

Neue Materialien im Realitätscheck

Kein Baustoff prägt unsere Städte so sehr wie Beton. Brücken, Hochhäuser, Parkhäuser – ohne den grauen Werkstoff wäre die moderne Infrastruktur undenkbar. Doch der Preis dafür ist hoch: Rund acht Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen gehen auf die Zementherstellung zurück. Das liegt vor allem daran, dass beim Brennen von Kalkstein große Mengen Kohlendioxid freigesetzt werden. Gleichzeitig werden riesige Mengen Sand und Kies verbraucht, die vielerorts knapp werden. Beton ist robust, günstig und flexibel – aber eben auch ein Klimakiller.

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Was es stattdessen gibt: Holz, Lehm, Recyclingbeton

Holz erlebt derzeit eine Renaissance. Es ist nachwachsend, speichert CO₂ und ermöglicht ein warmes, angenehmes Raumklima. Moderne Brettsperrholzkonstruktionen erlauben inzwischen auch mehrstöckige Wohn- und Bürogebäude. Kritisch bleibt allerdings der Rohstoffbedarf: Nachhaltig ist Holz nur, wenn es aus kontrollierter Forstwirtschaft stammt.

Lehm klingt zunächst nach Rückschritt ins Mittelalter, ist aber hochmodern. Stampflehm- oder Lehmsteine regulieren die Luftfeuchtigkeit, speichern Wärme und sind vollständig recycelbar. In Kombination mit moderner Technik lassen sich sogar repräsentative öffentliche Bauten errichten.

Recyclingbeton versucht, den klassischen Baustoff klimafreundlicher zu machen. Hierbei werden alte Betonreste aufbereitet und als Zuschlag wiederverwendet. Damit spart man Kies und reduziert den Abfallberg – die Emissionen des Zements bleiben jedoch bestehen.

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Grenzen der Alternativen

So vielversprechend die Alternativen sind, sie haben Grenzen:

  • Holz ist anfälliger für Feuer und Schädlinge. Moderne Brandschutzkonzepte schaffen zwar Sicherheit, doch die Skepsis vieler Bauherren bleibt.

  • Lehm ist empfindlich gegen Feuchtigkeit. Für Keller oder Außenwände in regenreichen Regionen ist er nur eingeschränkt geeignet.

  • Recyclingbeton kann die Emissionen senken, aber nicht auf null. Zudem gibt es Qualitätsgrenzen: Für hochbelastete Bauteile wird meist weiter Frischbeton benötigt.

Hinzu kommt ein Kostenfaktor: Neue Materialien sind oft teurer in der Verarbeitung oder erfordern spezielles Know-how, das auf dem Bau nicht immer vorhanden ist.



Normen, Genehmigungen, Baupraxis

In Deutschland ist das Baurecht streng – und das ist auch gut so. Doch für alternative Baustoffe bedeutet das oft zusätzliche Hürden. Während Beton seit Jahrzehnten normiert ist und jeder Statiker seine Werte kennt, müssen bei Lehm oder Holz oft Einzelnachweise geführt werden. Bauämter reagieren dann zögerlich, was Projekte verzögert oder verteuert.

Auch die Baupraxis hängt hinterher: Viele Handwerksbetriebe haben schlicht keine Erfahrung mit Stampflehm oder mehrgeschossigen Holzbauten. Wer bauen will, braucht also nicht nur ein Budget, sondern auch Geduld und die richtigen Partner.



Pioniere und Pilotprojekte

Trotzdem tut sich einiges. In Berlin wurde ein mehrstöckiges Wohnhaus fast vollständig aus Holz gebaut – inklusive Treppenhaus und Aufzugsschacht. In Bayern experimentieren Gemeinden mit Lehm-Schulgebäuden, die für ein besonders gesundes Raumklima sorgen. In der Schweiz wird Recyclingbeton bereits in großem Maßstab eingesetzt, vor allem bei Brücken und Straßen.

Diese Projekte zeigen: Alternative Materialien sind kein theoretisches Gedankenspiel, sondern bereits Realität. Sie erfordern Mut und oft auch ein Umdenken – sowohl bei Planern als auch bei Behörden und Bauherren.

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Der Materialmix macht’s

Die Lösung liegt nicht im Entweder-oder. Weder Holz noch Lehm werden Beton komplett ersetzen können. Aber sie können ihn deutlich reduzieren. Ein intelligenter Materialmix aus Recyclingbeton, Holz, Lehm und vielleicht bald auch innovativen Hightech-Materialien wie Carbonbeton oder Hanfplatten könnte die Bauwirtschaft klimafreundlicher machen, ohne auf Stabilität und Funktionalität zu verzichten.

Wer heute baut, sollte den Blick weiten: Weg vom reinen Betonstandard, hin zu einem Baukasten, in dem Nachhaltigkeit genauso wichtig ist wie Tragfähigkeit. Die Bauindustrie steht am Anfang eines Wandels – und jeder neue Bauherr kann Teil davon sein.