Innenstadtentwicklung
Wunschdenken oder echte Strategie?
Kaum ein Stadtrat, der nicht von „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ spricht. Der Satz klingt einleuchtend: Lieber Baulücken schließen und Bestände nachverdichten, als neue Gewerbe- und Wohngebiete auf der grünen Wiese ausweisen. Innenentwicklung verspricht kurze Wege, weniger Flächenfraß, lebendigere Zentren. In der Theorie also ein Alleskönner.
Doch Papier ist geduldig. Was auf der Folie charmant wirkt, stößt in der Praxis oft an harte Grenzen. Eigentümer, die nicht verkaufen wollen. Stellplatzsatzungen, die innovative Konzepte blockieren. Denkmalauflagen, die Investoren abschrecken. Und Kommunen, die im Planungsdschungel stecken bleiben.
Hürden: Eigentumsstruktur, Stellplätze, Denkmalschutz
Einer der größten Bremsklötze ist die Eigentumsstruktur. Während Investoren auf der grünen Wiese mehrere Hektar aus einer Hand erwerben können, sind innerstädtische Flächen oft kleinteilig zersplittert. Da gehört das Erdgeschoss dem Onkel, die Obergeschosse der Erbengemeinschaft und der Hinterhof längst einem Dritten. Jede Verhandlung kostet Zeit und Nerven.
Hinzu kommen Stellplätze. Noch immer schreiben viele Kommunen pro Wohneinheit ein bis zwei Parkplätze vor – selbst dort, wo Bus und Bahn vor der Tür halten. Tiefgaragen sind aber teuer und oft technisch kaum machbar. Damit werden viele Projekte schon in der Vorplanung unattraktiv.
Und dann der Denkmalschutz: Ohne Frage wichtig für die Identität einer Stadt, kann er gleichzeitig zum Showstopper werden. Wer ein altes Fabrikgebäude in Wohnungen umwandeln will, hat es schnell mit einem Dickicht aus Auflagen zu tun – von der Fassade bis zur Fensterform.
Was Kommunen tun können
Doch Kommunen sind diesen Hürden nicht hilflos ausgeliefert. Sie können Stellplatzsatzungen flexibilisieren, indem sie Carsharing-Stellplätze oder Mobilitätskonzepte anerkennen. Sie können aktiv in den Grundstücksmarkt eingreifen, etwa über Vorkaufsrechte oder städtische Entwicklungsgesellschaften. Sie können Prozesse bündeln, indem Bauamt, Stadtplanung und Denkmalschutz enger zusammenarbeiten, statt Vorhabenträger von Schreibtisch zu Schreibtisch zu schicken.
Wichtig ist vor allem, dass Kommunen Haltung zeigen. Wer signalisiert: „Wir wollen Innenentwicklung, und wir stehen dafür politisch ein“, erleichtert es Investoren und Eigentümern, sich auf den Weg zu machen. Ohne dieses Commitment bleibt es bei Lippenbekenntnissen.
Tools und Förderprogramme im Überblick
Für Städte und Gemeinden gibt es inzwischen eine ganze Palette an Förderprogrammen, die Innenentwicklung erleichtern sollen:
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Städtebauförderung von Bund und Ländern unterstützt Maßnahmen wie Flächenrecycling, Quartiersaufwertungen oder den Rückbau nicht mehr zeitgemäßer Gebäude.
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KfW-Programme fördern Sanierungen, energetische Aufwertungen und die Umnutzung von Bestandsgebäuden.
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Förderinitiativen für kommunales Flächenmanagement helfen Kommunen, Brachflächen zu erfassen und strategisch zu aktivieren.
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Innenentwicklungsmanager: In einigen Bundesländern können Kommunen Personalstellen fördern lassen, die sich ausschließlich mit der Entwicklung innerörtlicher Potenziale befassen.
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Neben Fördergeldern sind digitale Tools hilfreich. GIS-gestützte Flächenkataster zeigen, wo Leerstände und Baulücken liegen. Plattformen zur Bürgerbeteiligung erleichtern es, Anwohner in Planungen einzubeziehen – und so Konflikte frühzeitig zu entschärfen.
Erfolgsbeispiele: Wo es funktioniert hat
Dass Innenentwicklung nicht nur Wunschdenken ist, zeigen Beispiele:
Tübingen, Südstadt
Auf dem Gelände ehemaliger Kasernen entstand ein gemischt genutztes Stadtquartier mit hoher Lebensqualität. Möglich wurde das, weil die Stadt Flächen gezielt ankaufte und mit klaren Vorgaben an Baugemeinschaften vergab.
Leipzig, Plagwitz
Aus einem einstigen Industrieareal wurde ein Kreativstandort mit Wohnungen, Ateliers und Gastronomie. Hier half der Mix aus flexiblen Denkmalschutzlösungen, Förderprogrammen und einer Stadt, die die Szene bewusst unterstützte.
Kempten, Innenstadt
Durch ein aktives Flächenmanagementprogramm konnten Baulücken geschlossen und innerstädtische Brachen in Wohnraum verwandelt werden. Die Stadt setzte auf gezielte Kommunikation mit Eigentümern und schlanke Verfahren.
Diese Beispiele zeigen: Mit Mut, klarer Strategie und politischer Rückendeckung lässt sich der Spagat zwischen Theorie und Praxis meistern.
Ohne politische Rückendeckung bleibt es schwierig
Innenentwicklung ist kein Selbstläufer. Sie verlangt mehr Verhandlungsgeschick, mehr Geduld und oft mehr Kreativität als Neubau auf der grünen Wiese. Aber sie ist der einzige Weg, um Städte zukunftsfähig, nachhaltig und lebendig zu halten.
Ohne den politischen Willen jedoch bleibt Innenentwicklung ein Lippenbekenntnis. Kommunen brauchen Rückhalt, wenn sie Stellplatzsatzungen anpassen, Flächen ankaufen oder mutige Konzepte zulassen wollen. Am Ende entscheidet nicht das Planungsrecht, sondern der Mut, Dinge möglich zu machen.
