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Warum die HOAI nicht das Problem ist...

... und was es wirklich zu verbessern gilt.

Kaum ein Thema spaltet die Architektur- und Ingenieurbranche so sehr wie die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Seit Jahren wird sie von Politik, Verbänden und nicht zuletzt von Auftraggebern kritisch beäugt. Für die einen ist sie ein notwendiges Instrument, um Qualität zu sichern und den ruinösen Preiswettbewerb zu verhindern. Für die anderen wirkt sie wie ein bürokratisches Relikt, das Innovation hemmt und Projekte verteuert. Spätestens seit dem EuGH-Urteil 2019, das die verbindlichen Mindestsätze für unzulässig erklärte, steht die HOAI noch stärker im öffentlichen Kreuzfeuer.

Doch so hitzig die Debatte geführt wird – eines wird oft übersehen: Die HOAI ist nicht das eigentliche Problem.

Missverständnisse rund um Leistung und Honorar

Viele Auftraggeber sehen die HOAI in erster Linie als „Gebührentabelle“ und übersehen dabei, was sie eigentlich abbildet: Leistungen. Ein Honorar ist nicht bloß eine Zahl, sondern der Preis für geistige Arbeit, Verantwortung und Fachwissen.

Die HOAI differenziert in Leistungsphasen – von der Grundlagenermittlung bis zur Objektbetreuung. Jede Phase ist mehr als ein „Formalakt“. Wer schon einmal eine Bauantragsplanung durchgearbeitet, Ausschreibungen erstellt oder Bauüberwachung betrieben hat, weiß: Das ist Knochenarbeit, die fachliche Tiefe und vor allem Zeit erfordert.

Das Missverständnis: Viele glauben, das Honorar ließe sich beliebig kürzen, weil es ja „nur“ um Papier gehe. Tatsächlich aber gilt: Jede eingesparte Stunde bei der Planung kann auf der Baustelle das Zehnfache an Mehrkosten verursachen.

Gerade in Zeiten knapper Budgets zeigt sich: Eine solide Planung ist kein Kostenfaktor, sondern eine Investition. Wer am Anfang spart, zahlt am Ende drauf – und zwar nicht selten in sechsstelliger Höhe.

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Die wahren Probleme: Preisdruck, Bürokratie, fehlende Wertschätzung

Wenn man die Stimmen aus Büros und Verbänden ernst nimmt, dann sind es nicht die Honorartafeln, die die Branche in die Knie zwingen.
Es sind ganz andere Faktoren:

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Preisdruck

Seit der EuGH-Entscheidung überbieten sich Büros mit Dumpingangeboten. Gewinner ist selten der Auftraggeber – vielmehr leidet die Qualität, weil Leistungen nicht mehr vollumfänglich erbracht werden können. Langfristig ist das ein Bärendienst für den gesamten Markt, weil die Planungsqualität sinkt und Nachträge sowie Baumängel zunehmen.

 

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Bürokratie

Wer in Deutschland plant, kämpft nicht nur mit Bauordnungen, sondern mit Formularen, Nachweispflichten und endlosen Dokumentationsanforderungen. Jede Stunde, die ins „Papier“ geht, fehlt für die eigentliche Gestaltung und Betreuung. Besonders kleine Büros ächzen unter dieser Last, weil sie keine eigenen Verwaltungsabteilungen haben.

 

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Fehlende Wertschätzung

Architekten und Ingenieure tragen enorme Verantwortung – rechtlich, wirtschaftlich und sicherheitstechnisch. Trotzdem gilt Planung oft als notwendiges Übel, das man möglichst billig einkauft. Dabei ist sie die Basis für alles, was später auf der Baustelle geschieht.

 

Hier zeigt sich: Das Problem liegt weniger in der HOAI, sondern in der Art, wie Leistungen gesehen und bewertet werden.



Was sich ändern sollte – ohne die HOAI abzuschaffen

Eine Abschaffung der HOAI würde keines der Kernprobleme lösen. Stattdessen braucht es:

  1. Mehr Aufklärung bei Auftraggebern: Planung ist kein Luxus, sondern Fundament jedes Bauvorhabens. Wer hier spart, riskiert Kostenexplosionen.

  2. Faire Vergabeverfahren: Der billigste Anbieter ist nicht automatisch der beste. Qualität muss wieder stärker ins Gewicht fallen.

  3. Entbürokratisierung: Weniger Formalismen, mehr Fokus auf Inhalte. Planer brauchen Freiräume, um kreativ und effizient zu arbeiten.

  4. Stärkung der Berufsethik: Auch die Büros selbst müssen lernen, ihre Leistungen selbstbewusst einzufordern und nicht im Dumpingwettbewerb zu verschwinden.

Die HOAI bietet weiterhin Orientierung und Transparenz. Sie abzuschaffen, wäre so, als würde man bei Stau die Verkehrszeichen entfernen – das Grundproblem bleibt.

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Praxisbeispiel: Büroalltag zwischen Kalkulation und Realität

Nehmen wir ein kleines Architekturbüro mit fünf Mitarbeitern. Auf dem Papier sind die Leistungsphasen klar definiert, die Honorarberechnung nachvollziehbar. In der Realität sieht es anders aus:

  • Für die Genehmigungsplanung sind 100 Stunden kalkuliert, gebraucht werden 160, weil die Bauaufsicht zusätzliche Unterlagen fordert.

  • Bei der Ausschreibung drückt der Bauherr auf die Kostenbremse und fordert Nachverhandlungen, die nicht vorgesehen sind.

  • In der Bauüberwachung steigen die Aufwände, weil Handwerker Mängel produzieren, die dokumentiert und nachverfolgt werden müssen.

Das Ergebnis: Leistungen werden erbracht, die im Honorar nicht abgebildet sind. Nicht, weil die HOAI versagt, sondern weil der Markt und die Rahmenbedingungen immer mehr Zusatzlasten auf die Büros abwälzen.

Viele Planungsbüros berichten von einer Schieflage zwischen Erwartung und Realität: Aufträge werden nach HOAI verhandelt, im Alltag aber wachsen die Aufgabenpakete stetig – ohne Mehrvergütung. Dieses „stille Ausbluten“ macht die Branche unattraktiv für Nachwuchs. Wer will schon in einen Beruf einsteigen, in dem Verantwortung hoch, Bezahlung niedrig und Wertschätzung kaum vorhanden ist?



Planung ist Leistung – und verdient ihren Preis

Die HOAI ist nicht das Übel, als das sie oft dargestellt wird. Sie ist ein Werkzeug, das Orientierung bietet und Transparenz schafft. Das eigentliche Problem liegt im fehlenden Bewusstsein dafür, welchen Wert gute Planung hat.

Solange Auftraggeber Leistungen wie eine Ware behandeln, solange die Politik Planungsbüros mit Bürokratie fesselt und solange Planer selbst ihre Arbeit unter Wert verkaufen, wird sich wenig ändern.

Die Lösung ist nicht die Abschaffung der HOAI, sondern ein Kulturwandel: Planung als das zu sehen, was sie ist – eine komplexe, verantwortungsvolle und unverzichtbare Leistung. Und die verdient nicht den niedrigsten Preis, sondern eine faire Honorierung.